de

Fragen über Fragen 

7. Juni 2021, Jürg Messmer

Gestern starb eine 52-jährige Frau. Was genau geschehen war, verstand ich nicht ganz. Starb sie nun am Herzinfarkt, oder an Covid? Es scheint, dass sie wegen ihres Zustandes direkt ins Spital eingeliefert worden war. Die Frage, ob sie ins Spital musste oder nicht, war also beantwortet. Sie sei jedoch vermutlich zu spät ins Spital eingeliefert worden. Also starb sie. Vielleicht auch, weil sie übergewichtig war und unter starkem Bluthochdruck litt. Vermutungen allerseits. Doch die Frage, ob sie überlebt hätte, wenn sie nicht ins Spital eingeliefert worden wäre, die stellt niemand. Spielt ja auch keine Rolle, vor allem nicht im Nachhinein. Genau so wenig, wie die Frage, ob es nun mehr oder weniger Tode gegeben hätte, wäre die Welt nicht in einen globalen Notstands-Modus versetzt worden. Doch solche unnützen Fragen stelle ich mir halt immer wieder.

Dass vermutlich alle ihr Bestes gegeben haben, wie ich, davon gehe ich nun einfach mal aus. Doch trotzdem bin ich oft unzufrieden. Doch vor lauter Unzufriedenheit, und dann wieder Zufriedenheit, weiss ich schon bald nicht mehr, was diese Un-Zufriedenheit nun wirklich ist.

Gestern war ich sehr unzufrieden, rastlos. Es war Sonntag. Es gab nichts zu tun, ausser mich mit meiner Unzufriedenheit herumzuschlagen. Das trieb mich fast in den Wahnsinn. Ein Motor, der die Kraft nicht auf den Boden übertragen kann. Zum Glück hatte ich mich dann um vier Uhr Nachmittags doch noch überwinden können, das Haus zu verlassen, und den nahe liegenden Hügel zu besteigen. So dass mein Herz etwas zu tun hatte, anstatt nur wild um sich zu schlagen. Etwas zufriedener stieg ich wieder in die Stadt hinunter, und kam auf diese Anhöhe, wo die kleine Kirche, der Templo La Transfiguración, steht. Irgendwann muss ich mal herausfinden, was es nun mit dieser Transfiguration genau auf sich hat. Eigentlich hatte ich gehofft, da mit Gott über meine Nöte sprechen zu können, doch das Treffen fand nicht statt, vermutlich hatte ich ihn einfach vergessen, weil ich an eine Zigarette dachte.

Heute morgen habe ich wieder zu tun. Gott sei Dank. Es steht die Frage an, ob nun Vivian einen Gasherd, einen 20-Zöller, oder einen 24-Zöller kaufen soll, und ob der jetzt ihr oder mir genügen soll, und vor allem, wo dann der dazugehörende Gaszylinder hinkommt, damit die Wohnung, wenn möglich, nicht gleich in die Luft fliegen kann. Sie wohnt ja dann nicht in einem grossen Haus, wo man diesen gefährdeten Zylinder in einen gut gelüfteten Innenhof stellen kann. Nein. Es gibt nicht einmal einen Abstellraum, von Estrich oder Kellerraum ist schon gar nicht zu sprechen. Doch vermutlich müssen das hier einige Leute so machen, ohne gleich allzu viel darüber nachzudenken. Und sehr wahrscheinlich gibt es ja gar nicht so viele Gas-Unfälle, dann schon eher Gewaltverbrechen. Also heute morgen schaue ich unseren Einkäufen gelassener entgegen.

Auch, weil ich wieder schreiben kann, von Fragen über Fragen! Wieder einmal ist mir Jesus in den Sinn gekommen, und damit auch die Frage, ob wir dessen Wiederkehr bedürfen. Das bringt mich in Schwierigkeiten. Ich bin zerrissen. Einerseits denke ich, ach, Gott, es wäre wirklich höchste Zeit! Doch andererseits, auch, ach Gott, nein danke, we don't need another hero! Gemäss Erfahrung ist die langfristige Wirkung nicht unbedingt positiv. Oft denke ich ja, dass der Kapitalismus erst dank Schuldbefreiung so richtig erblühen konnte, und uns in die heutige Situation gebracht hat. Für die einen ein Befreiung, für die anderen eben nicht.

Mein Problem ist natürlich, dass ich diesen Motor habe, der einfach dreht, selbst wenn die Räder keinen Boden zu fassen kriegen. Ich bin also prädestiniert dazu, die Welt zu retten. Sagen wir mal so, wenn es keine Arbeit gibt, dann muss man sie erfinden. Und die kann ich auch gut nebenbei machen, denn anderes gibt es ja bei mir nicht. Das klappt, selbst von Guatemala aus, bei unstabilem Internet und Stromausfällen. Ob ich der ideale Weltretter bin, darüber mache ich mir natürlich schon Gedanken. Nur eines scheint mir bei meinem Profil zu stimmen, dass gesagt wird, dass man Jesus wohl nicht einmal erkennen würde, wenn er neben einem sässe - sagen wir, ein Besoffener, ein Irrer, ein Arbeitsloser eben, oder gar eine Frau oder ein Buchhalter, oder einer aus solidem bürgerlichen Haus (was wiederum wahrscheinlicher wäre). Dass er weiss sein könnte, spricht gegen ihn, darum wiederum auch für ihn. Doch letztlich wird es bei einer Pyramide wohl jener sein, der am einfachsten auf die Spitze steigen kann, weil er sonst nichts nützt. Das könnte also wiederum passen.

Doch die Frage bleibt natürlich, wie ist die Welt denn (noch) zu retten? Und, braucht sie eine Rettung? Also Fragen über Fragen. Sie bleiben.

PS: Gestern hat ein mir Unbekannter mich über WhatsApp angeschrieben, "Hola cómo estás saludo a la distancia y bendiciones 🥰😊🤗" (Hallo wie geht es dir Gruss aus Distanz und sei gesegnet). Laut Info scheint diese Person von einer Unternehmensnummer aus mich angetextet zu haben. Spam, oder einfach eine alte Nummer? Das Profilbild zeigt Jesus, mit dem Lamm im Arm, und die Botschaft "ohne Gott bin ich nichts, mit Ihm unbesiegbar". Ich habe den Kontakt blockiert, in der Annahme, sollte er mich wirklich kontaktieren wollen, wird er dieses Hindernis wohl überwinden.

Lied: "We Shall Overcome", Joan Baez 1965

PS2: Wäre die Welt wirklich eine bessere, wenn alle nun Masken tragen und sich impfen würden?

Lied: "The Gambler", Kenny Rogers

Deine Mitteilung (Kommentare sind moderiert: Hinweise)

Liste der Einträge