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Ziele - in Beton gegossen 

6. Januar 2021, Jürg Messmer

Immer wieder wünscht mir jemand, dass ich meine Ziele erreichen möge! Dabei bin ich manchmal etwas unsicher, wie genau der mir gut meinende Mensch das auch meint1. Als leicht paranoider, lieber gar "sensibler", oder halt einfach unsicherer Mensch, glaube ich dann immer gleich Zweifel zu hören, oder gar sowas wie, "dass kann ja nicht gut gehen” - zum Beispiel eben nach Guatemala auszuwandern, um da das Glück zu finden, und das erst noch aus der Wohlfühloase Schweiz, dieser sicheren.

Selbst ich verstehe ja diese Zweifel! Bin ja ein Schweizer, wenn auch ein Ausgewanderter. Dass man sich einfach auf ein Abenteuer aufmachen könnte, so ohne Ziel, das ist ja nicht möglich. Nein, ist es wohl nicht. Ich habe ja Ziele, immer -wenn ich sie vielleicht auch eher Träume nenne- und es freut mich auch wirklich, wenn mir jemand beim Erreichen derselben alles Gute wünscht. Passender vielleicht, einfach eine gute Reise. Denn das ist und bleibt das einzig Konkrete, wenn man sich auf den Weg nach einem Ziel, in die Zukunft, aufmacht. Vor allem zusammen mit Anderen.

Das Erreichen eines Ziels hängt ja von Verschiedenem ab. Vor allem muss das Ziel ein Konkretes sein, sonst wird es mit dem Erreichen dieses Ziels, und vor allem dessen Überprüfung, schwierig! So wäre es natürlich einfacher, nach Guatemala zu gehen, mit der Idee, dass ich da mit meinem Schweizer Geld -dem, je nach dem, vielen oder wenigen- einfach "ein Häuschen bauen, den Frieden im eigenen Gärtchen finden, und mit meiner Frau glücklich werden könnte".

Auch das Glück mit meiner Frau zu finden -genannt mit Namen- ist einfacher zu überprüfen, als einfach mit einer. Ich könnte jedoch behaupten, dass es einfacher sei, das Glück mit einer als mit meiner zu finden, denn dann ist das zu erreichende Ziel ergebnisoffener, doch eben wiederum weniger exakt zu überprüfen, und darum auch nicht so erreichbar. Denn letztlich kann ja jeder behaupten, und sagen, mit seiner Frau das Glück gefunden zu haben, und wenn es dann am Schluss nur die “Alma” ist, die noch Unbekannte. So bleibe ich dann halt doch alleine, ohne dass ich den Erfolg des Erreichens meines Zieles mit anderen - bezeugt und dokumentiert - teilen und feiern könnte. Doch die Feste feiern, wann sie fallen, das kann man zum Glück immer. Gott sei Dank.

Ziele in Beton gegossen sind wesentlich einfacher zu erreichen, denn Beton ist heute ja leicht zu beschaffen, auch wenn der Sand dazu aus der Wüste oder von den Stränden Afrikas herangeschifft werden muss. Denn da muss man nur eine Kette von konkreten Zielen verbinden, die Rechnungen bezahlen, und Schwupps, schon steht das Haus - und das nicht nur in der Schweiz. Dass dann der Traum vielleicht wieder schwindet, ist, wenn auch wahrscheinlich unvermeidlich, so doch nebensächlich, denn das Erreichen des Zieles ist mit Besitzdokumenten, mit Plänen und Rechnungen von Architekten und Baumeistern, und mit Fotos auf Facebook ja einfach zu dokumentieren. Und daran kann man sich halten.

Auch die Fotos werden ja dank Album, oder Internet-Gedächtnis, nicht so schnell verschwinden, und hoffentlich auch jene nicht, die ich -in einem kleinen grauen Plastik-Köfferchen gesammelt- zur Sicherheit bei meinem grossen Bruder in der Schweiz hinterlassen habe. So dass ich mich immer werde erinnern können, was ich Konkretes gemacht habe, auch wenn ich solches nicht erreicht haben sollte. Auch wenn ich mich dann an manches Detail nicht mehr so genau erinnern möge, weil halt nur Menschen und Situationen, und fast keine konkreten Dinge da abgebildet sind -ausser manch selbst Gezimmertes, oder unser ehemaligen Familienferien-, dem Hexenhäuschen, im Tessin.

Doch vielleicht haben sich bis dann ja auch die Geschichten verändert, in meiner Seele, in meinen Träumen, so dass sie jederzeit wieder Sinn machen mögen. Halt alles aus einem neuen Blickwinkel. Also den Sinn, denn ich und meine Familie dann an Ort und Stelle wieder brauchen.

Meine Ziele sind nun mal nicht in Beton gegossen. Doch gute Wünsche im Erreichen von auch nicht ganz so Konkretem, nehme ich gerne entgegen, vor allem wenn ich spüre, dass es sich um das Erreichen von gemeinsamen Zielen handelt, die den Wünschenden gleich mit beinhalten. Denn dann scheinen mir auch etwas wage Ziele schon fast wieder so erreichbar zu sein, als wären sie in Beton gegossen.

Musikalischer Traum: "No Dejes De Soñar" (Höre nicht auf zu träumen), Manuel Carrasco.

PS: Dieser Text ist einer verständnisvollen Frau zu verdanken; nennen wir sie Frau "Meier" - das ist in der Schweiz unverdächtig. Sie könnte zum Beispiel in einer Bank arbeiten, von der man sagt, dass sie um eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft besorgt ist; das wäre dann schon eher verdächtig. Eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft ist ja nicht in Beton gegossen. Das liegt in der Natur der Sache.

1Vielleicht liegt es ja weniger am Zweifel der Absicht der guten Wünsche, als daran, dass ich mich ertappt fühle, dass ich immer noch keine so klaren Ziele habe.

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