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Spanisch konkret: Mosaics-Logo 

26. August 2021, Jürg Messmer

Da ich nicht mehr der Jüngste bin und auch kein Sprachdiplom anstrebe, verzichte ich auf formalen Sprachunterricht. Dies hat sich auch aus der Covid-Situation ergeben, denn ich wollte keinen distanzierten Online-Unterricht, sondern einen ohne Plexiglasscheiben, und besser auch ohne Maske. Kommunizieren ist für mich nur so wirklich sinnvoll, also nicht "Sinn-los". Die Konsequenz ist, dass ich natürlich nur mit Menschen zusammen arbeite oder arbeiten kann, die eine gewisse Gelassenheit gegenüber "Covid" haben.

Es gibt laufend Projekte, bei denen ich ein konkretes Ziel verfolgen kann und dabei gleichzeitig auch die Sprache, in "realem" Kontext, erlernen und be-greifen kann, und so hoffe, dass die erlernten Wörter und Ausdrücke Teil eines aktiven Wortschatzes werden. Dass die Zusammenarbeit auch für meine "Auftragnehmer" und Lehrer interessant sein soll, ist klar.

Mein erstes Projekt - mal abgesehen von meinem immer laufenden "Projekt" mit Vivian, das natürlich genauso konkret ist - war die Erneuerung des Logos meiner Webseite.


Webauftritt Mosaics.ch, seit Beginn und bis Juni 2021

Seit ich in Guatemala angekommen bin und daran, die Residenz zu beantragen, um mein Leben hier zu legalisieren, hatte ich das Bedürfnis, meinen Webauftritt meinem neuen Leben anzupassen.


Inspirierende Farben und Muster: Huipiles und Cortes, traditionelle Kleider der Maya Frauen, auch heute hier noch sehr präsent

Meine Webseite und damit auch das Logo waren ja schon bald 20 Jahre alt, und ich wollte etwas neues, farbigeres und lebendigeres haben, und ich glaube, das ist gelungen, auch wenn da einige anderer Meinung sein werden; z.B.:

"Das ist ja kein Logo!"
(was ich zuerst nicht verstand, erst als ich an Logos von Banken, von Grossunternehmen oder ähnlich kommerzielles dachte...), oder

"Sieht ganz nach Fred Feuerstein - Flintstones - aus!"
(was mir - nach erstmaliger Ernüchterung - dann gar gefiel, als etwas rückständiger Dinosaurier).

Und Anna, die Gestalterin meines ursprünglichen Logos, meinte einfach: "wenn es dich glücklich macht... dann bin ich glücklich". Danke Anna.

Ich suchte also ein(e) Grafiker(in), am liebsten eine Frau (darf ich vermutlich als Privatperson noch machen), und wenn möglich eine "Eingeborene", die einen Touch Maya-Kultur in mein Erscheinungsbild zaubern könnte. Doch das war schwierig, vor allem auch weil ja bereits "Covid" herrschte. Zudem gab ich es dann schnell auf, als Vivian mir Joel vorschlug, der Architekt sei und sehr interessiert an Gestaltung, und dazu noch Sprachlehrer "meiner" Sprachschule Celas Maya, und so dachte ich, dass damit zwei Fliegen auf einen Schlag zu schaffen wären: Sprache, konkret.

Erst jetzt ist mir in den Sinn gekommen, dass ich ja mit Joel bereits im November 2019 schon mal zu tun gehabt hatte, als ich den Entwurf einer eigenen Spanisch-Lern-App für die Schule getestet hatte; ein anspruchsvolles Projekt, an dem er beteilig gewesen war. Damals war ich etwas im Klintsch, weil ich ja das Projekt als solches ein sehr interessantes fand, doch angesichts der Komplexität und der bereits bestehenden Apps (Duolingo, Babbel, Reverso, und viele andere) auch als ziemlich aussichtslos, denn wenn auch oft am Anfang eine geniale Einzelleistung steht, werden diese von grossen Unternehmen aufgekauft, und Communities arbeiten daran im Schwarm.

Ich befürchtete also, dass auch hier in Guatemala die moderne Business- und Onlinewelt sich ausbreiten, und keine Schule wie Celas Maya, mit Eins-zu-Eins Unterricht und einer Vielfalt von verschiedenen LehrerInnen und einer sehr persönlichen und intensiven Lernatmosphäre, dann noch bestehen könnten. Deshalb hatte ich ihnen, auch etwas eigennützig, empfohlen, von einem solchen Unternehmen abzusehen, um sich lieber auf Ihre Stärke Sprache, Kommunikation und kulturellen Austausch, wenn möglich eben in dieser einzigartigen uno a uno und präsenzialen Form zu fokussieren.

Und nun stand Joel wieder vor mir, im Café Baviera, wo wir für unser erstes Treffen abgemacht hatten. Jung, pfiffig, modern gekleidet, und erst noch mit einem modischen Hut auf seinem Kopf. Nach einigem ortsüblichen Vorgeplänkel gingen wir zur Sache; Ziel: Mosaics-Logo, und Sprache, vom Spezifischen (Design, Architektur) bis zum Leben (inkl. Familie, Beruf, Überleben, Musik und Religion), mal in die eine Richtung, mal in die andere. Doch immer mit dem klaren Ziel vor Augen: das neue Logo.

Er überraschte mich mit einem fantasievollen Vorschlag: er brachte Steine mit (Mosaiksteine), um sie zu werfen und zu sehen wie sie fallen, und solche Sachen. Das fand ich interessant, auch wenn ich unsicher war, ob da etwas Brauchbares herauskommen würde. Doch der Weg und nicht nur das Ziel..., ich wollte ja etwas lebendiges! Doch dachte ich auch an die Anforderungen von Design, "Lesbarkeit", Wiedererkennung, und die Einfachheit für den Bildschirm, und dieser in jeder Grösse, ob Laptop oder Handy.


Erster realer Entwurf, als Antwort auf meine noch allzu offenen Beschreibungen des Ziels (Maya touch, farbig wie Huipiles)

Sein erster Versuch war wichtig, doch zeigte er für mich in die falsche Richtung. Ich wollte kein Logo, und dazu den Text, der dieses "beschreiben" würde, und auch bei den Mosaik-Steinen (oder Glasscherben) wollte ich bleiben. Text und Bild sollten eine Einheit bilden, und erst noch "lesbar" sein.


Gleich der zweite Entwurf schien mir in die richtige Richtung zu weisen

Der zweite Entwurf, der passte gleich, obwohl ich das damals noch nicht wusste. Doch die Richtung fand ich auf Anhieb stimmig. Vor allem das "M" gefiel mir sehr, und auch das "O", als wären sie Steine aus "Stonehenge" oder einer Maya Ruine oder Stele. Auch wenn ich keine wirklich vertieften Kenntnissen von Gestaltung und Wirkung von Design habe, so verlasse ich mich einfach auf mein Gefühl, auf was denn sonst sollte ich vertrauen?

Rustikaler Versuch, Steine mit Einschlüssen und mehr dreidimensionaler, naturnaher Erscheinung

Wir machten also weiter, versuchten verschiedene Weg, inklusive realere Steine mit Kristall-Einschlüssen; oder die Schrift eingebettet in Steinen, als wäre die Schrift aus einem alten Wandmosaik bei der Hausrenovation herausgearbeitet worden. Das machen auch Architekten manchmal sorgfältig. Manche arbeiten ja auch ihr Leben lang an Restaurationen von Kirchen oder Ruinen, die nie ein Ende nehmen.

Doch alle weiteren Entwürfe fanden bei mir keine Gnade, denn immer dachte ich letztlich, dass das Logo einfach bleiben müsste. Doch den Vorschlag von befreundeten Gestaltern in der Schweiz, eine Steintypografie zu verwenden, fand ich zu langweilig.


Eine Typografie aus Steinen

So begannen wir, an den einzelnen Buchstaben und Steinen zu arbeiten; ich hoffte, dass jeder Buchstabe seine eigenständige Gestalt haben würde, ohne dass dabei - trotz Vielfalt - die Einheitlichkeit verloren gehen würde. Zudem arbeiteten wir an Farben, und auch Vivian arbeitete noch an den Entwürfen mit. Doch auch die Idee, pro Sprache Deutsch, Spanisch und Englisch je ein etwas anderes Logo zu machen, verwarf ich am Schluss. Es ist ja die gleiche Webseite, und in den Farben sollte die Vielfalt - auch die aller Sprachen - bereits repräsentiert sein. Und da der erste Entwurf fast schon prägend war, veränderten wir auch nur einige Formen und Farben, so zum Beispiel die des "i" (neu mit i-Punkt), und das "C" (rundere Form), und das Türkisblau am Schluss. Nur das  "o" von Mosaic(o)s, das sollte immer bleiben, einfach hervorgehoben für die spanisch-sprachige Seite. Das verwirrt vielleicht einige, doch etwas offene Fragen können ja nie schaden.

Parallel dazu arbeiteten wir immer auch an der Sprache, denn Joel ist, wenn auch Architekt, so doch auch Sprachlehrer, und das ist gut so, und effektiv. Auch wenn es sich nur um "kleine" Korrekturen handelte, von Fehlern über die ich während der Auseinandersetzung mit dem Logo stolperte, so waren die Korrekturen doch sehr effektiv. Weil diese ja mitten im Leben und nicht am Schreibtisch oder in der Schulbank passierten.

Wie immer wenn ich in eine andere Sprache eintauche, lerne ich auch einiges über meine eigene Sprache, über meine Muttersprache, das Schweizerdeutsche, doch vor allem über das Deutsche, das wir Hochdeutsch nennen, das ja eigentlich eher eine Fremdsprache ist, die wir jedoch bereits in der ersten Primarschulklasse lernen müssen, weil wir ja in dieser Sprache lesen und schreiben (müssen). So war mir nie bewusst gewesen, dass die Personalpronomen für das Dativ- und Akkusativ-"Objekt", auch als die "Fürwörtern" für die Person als indirektes oder direktes Objekt beschrieben werden können. Doch wäre das mal erwähnt worden, so hätte mein Kopf solch Analytisches wohl schlicht und einfach verweigert.

So stimmt es meist überein, wenn ich jemandem ("ihm", "ihr", Dativ) etwas "schreibe", "schicke", "sage" oder "empfehle", denn dann ist der Empfänger nur das "indirekte Objekt" und die "Botschaft" oder der "Inhalt" das "direkte Objekt". Doch gleich beim "bitten" klappt das nicht mehr. Im Spanischen wird dazu auch das Pronomen für das indirekte Objekt verwendet, weil ja der Inhalt der "Bitte" hier auch im Vordergrund steht, doch im deutschen heisst es dann "ich bat ihn (Akkusativ), mir einen neuen Entwurf zu machen". Nachforschungen dazu haben mich im Dschungel der Sprachwissenschaften versumpfen lassen. Das spanische "Le pedí (a Joel) que me hiciera otro bosquejo", das Pronomen für das indirekte Objekt, macht da mehr Sinn als das "direkte", geschlechtsspezifische "la" oder "lo" ("sie", "ihn" > "Akkusativ"), das "zu Recht" in Aussagen wie "ich liebe sie", oder "ich werde ihn töten" - "voy a matarlo" o "la amo" - verwendet wird.

Dass dies im iberischen Mutterland des "Spanischen" wiederum etwas anders gehandhabt wird, Stichwort "Leismo", das kümmert mich weniger, denn seit meine Schwester vor bald 50 Jahren in Spanien tödlich verunfallt war, hat mich Spanien nicht mehr interessiert, nur noch einmal, um ihre Spuren zu finden. Auch die Absicht, noch den Pilgerweg nach Santiago de Compostela zu gehen, hat mich ja dann nach Guatemala geführt, ohne den Pilgerweg je angetreten zu haben. Zudem besteht die Möglichkeit, dass sich das iberische "Castellano" noch dem lateinamerikanischen "Español" anpassen könnte, Anpassung für einmal in die entgegengesetzte Richtung.

Auch wenn es auch im Spanischen noch viele offenen Fragen gibt, so habe ich nun die wesentlichen Regeln der Verwendung der "pronombres de objeto directo (POD) y de objeto indirecto (POI)" besser verstanden, und selbst die Verwandtschaft zu Dativ und Akkusativ im Deutschen. Für Interessierte dazu diese Diskussion zu den Dativ-, Akkusativ-Objekten und den Pronomen für "direkte" und "indirekte Objekte".

Auch weitere Themen, die auftauchten, sind Klassiker, z.B. "holen", "bringen", "mitbringen" (traer, llevar), oder "kommen", "gehen" (venir, ir) usw. Hier zeigt sich, dass es nicht einfach ist, Wörter zu übersetzen, denn der Standpunkt, die Vorstellungswelt ist im Spanischen eine andere als im Deutschen. Wenn mich also Doña Carmen zum Frühstück ruft, dann antworte ich eben nicht mit, "ya vengo" (ich komme gleich), sondern "ya voy" (ich gehe gleich). Im Deutschen versetzen wir uns in die Situation des anderen, im Spanischen ist jedoch fast immer nur der reale Standort des Sprechenden ausschlaggebend. Es hat mich viel Schweiss gekostet, das zu begreifen und nun die richtigen Verben einfacher über die Zunge gleiten zu lassen. Oder "bring mir doch ein Bier", heisst eben nicht "llévame una cerveza", sondern "tráeme..." oder "tráigame...". Es bleibt einem nichts anderes übrig, als in die Sprache und die Vorstellungs- oder Erlebenswelt einzutauchen. Wörterbücher helfen da oft nicht viel weiter.

Trotz all dieser Abschweifungen in die Welt der Sprache, stand am Schluss das Logo, und ich veröffentlichte es, auch wenn ich wusste, dass einige im "Norden" damit etwas Mühe haben würden. Doch bald werden sie vergessen haben, ob es nun ein richtiges Logo ist. "Es ist, was es ist", das sagte oder schrieb einmal Erich Fried, und damit bin ich immer noch einverstanden, auch wenn "ist" sich eben immer wieder verändert.


Neues Logo, oder wie immer man das bezeichne ...

Das erste "konkrete" Sprach-Projekt war damit beendet. Hier nur eines der Wörter, die ich da zum ersten Mal gelernt hatte: "bosquejo", der "Entwurf". Das blieb mir schnell, weil es "bosque" (Wald), und "quejo" (ich klage/beklage, quejar) beinhaltet. Dass der Wald sich beklagen könnte, das begriff ich.

Joel: ist ein junger Guatemalteke, seine Eltern sind Mayas, sein Vater ist Schuhmacher und seine Mutter hat eine kleine Schokoladenproduktion, sie stellt hochprozentige Schokolade in Handarbeit, mit Erdnüssen, Mandeln, Kokos oder Sesamsamen her; schmeckt mir sehr, irgendwie erdiger, gar "ehrlicher"! :-). Er ist Mitglied einer evangelischen Gemeinschaft, der "Iglesia de Dios Pentecostal" (Pfingstgemeinde). Auch sie sind von Covid-19 betroffen, und haben nur noch reduzierte Versammlungen, für Männer, Frauen und Jugendliche getrennt. Er ist auch Musiker, spielt Gitarre (und Bass, auch in der Kirche) und lernt Piano. Er hat Architektur studiert, doch bisher wenig Arbeit in diesem Gebiet. Auch weil er immer wieder Arbeit als Sprachlehrer findet, und dabei Kontakt mit Menschen und auch ausländischen Frauen hat (interessante Geschichten!). Er ist vielbegabt und deshalb etwas unentschieden. Doch das scheint ihn nicht zu stören. Auch zu Covid-Zeiten, kann er, dank Gelegenheitsarbeiten und dank Leben in der Familie und seiner Glaubensgemeinschaft, gut überleben.

Religion: natürlich haben wir immer wieder über Religion gesprochen, vor allem über das Aufgehoben-Sein in der Gemeinschaft. Er hat mich auch gefragt, welcher Religionsgemeinschaft ich am liebsten angehören würde. Oder wir haben über Gott (wer, oder was, und wie?) gesprochen, über Gottesfurcht, und den Unterschied zwischen "Temor de Dios" (Furcht Gottes) und "Temor a Dios" (Gottesfurcht) gesprochen. Es gab keine Tabuthemen, doch vielleicht ist er mal ausgewichen, oder das Thema hatte für ihn keine Bedeutung.

Kein Lied, einfach die Frage, "warum die Hund auf Englisch (oder Deutsch) nicht gleich bellen wie auf Spanisch?": ¿Por qué los perros no ladran igual en inglés que en español?

Diesen Text habe ich für einmal direkt mit Joel, in einem erneuten Treffen auf Spanisch (und damit auch für die deutsche Version), überarbeitet. Ich bat ihn auch, mir Schokolade von seiner Mutter mitzubringen. Danke, Joel.


Joel, Architekt, Sprachlehrer, und was auch immer. Aufgeweckt.

Schlagwörter: Sprache

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