Wo Gott hockt.
30. Juni 2020, Jürg Messmer
Wo hockt Gott? Ist das eine Frage für jedermann? Wohl kaum, denn wer wollte denn die Antwort schon hören. Wir sind ja hier, um Ferien zu machen, um die Augen zu verschliessen, und zu denken, dass es dann jemand anders schon richten wird. Machen wir einfach mal weiter.
Das ist an und für sich keine schlechte Strategie, denn dazu sind wir ja hier, nämlich etwas zu machen und zu erleben. Schlafen und ausruhen können wir auch im Grab, oder nicht? Richtig, wir können jederzeit alles machen, wo, wann und wie auch immer. Nur müssen wir dafür gerade stehen, oder sitzen. Der Arzt sagte, wenn du jetzt gehst, ohne dich weiter behandeln zu lassen, dann musst du diese Erklärung unterschreiben, dass du die Verantwortung übernimmst, obwohl wir dir gesagt haben, dass es gefährlich ist. Schön, dass ich endlich die Verantwortung trage, denn ich habe mich ja immer schon gefragt, wer dies denn sonst tue. Meine Verantwortung trage ich auch, wenn ich hier nicht unterschreibe. Doch ich unterschreibe. Ich will ja euch von dieser Last befreien, mich kostet es nichts. Den Gefallen tue ich euch gerne.
Ich habe mich immer gefragt, warum ich denn verantwortlich sei, wenn jemand von mir das Corona Virus übernimmt. Ich habe es ihm ja nicht gegeben oder aufgezwungen, denn er ist selber in meine Nähe gekommen. Nein, er sagt, ich war es, der ihm zu nahe gekommen sei! Wo ist das Messgerät, wer beurteilt das? Und warum können wir das Corona Virus nicht einfach teilen, so wie die armen Leute ja auch ihr Essen teilen.
Es stimmt, ich suche Gott ja schon seit ewigen Zeiten und kann ihn nicht finden. Das einzige was ich immer finde, ist meine Frage, oder meine Zweifel, meinen Hunger, meine Unersättlichkeit, meine Ungeduld, meine Wünsche, die Furcht vor ewiger Verdammnis, oder einfach davor, dass ich mich langweile. Hat das etwas mit Gott zu tun? Wenn nicht, dann sitz ich wirklich in der Scheisse. Und wenn ja, dann auch. Also Patt, Schachmatt. "Give me a break!" Aber wer soll mir denn schon diese Ruhe gönnen? Mit wem spreche ich? Ein Selbstgespräch? Das will ich doch nicht hoffen. So weit ist es doch hoffentlich noch nicht! Ich bin besoffen.
Ja, den letzen Abend habe ich hier verbracht, mit meinem Freund seit langen Jahren. Wir haben Bier getrunken, d.h. er trank Coca Cola und Pfefferminztee, und ich zwei Stangen. Dann waren wir bei Pepe, um wie immer unsere geteilte Pizza zu essen. Dazu natürlich den sardischen Wein, und den Limoncello! Dann gingen wir ab nach Hause. Ich stieg noch auf die Dachterrasse, um mein Tageswerk zu begutachten, und wer war da? Die zwei, die noch portugiesischen Wein tranken und mich zu einem Glas einluden. Also noch ein Glas. Und so soll man Gott noch finden. "Borracho de amor", kann man da nur voller Hoffnung sagen, denn die Hoffnung stirbt zu letzt.
Wo waren wir schon wieder? Ach ja, da wo Gott hockt.
PS: Ich bin nochmals die Treppe zur Dachterrasse gestiegen, um eine letzte Zigarette zu rauchen. Kein Licht, stolpern inbegriffen. Alleine trage ich die Verantwortung. Sternenlicht. Wir sind auf 900 Meter plus 5 Stockwerke, also ca 915m über Meer. Nahe am Himmel und den Sternen. Nicht so nah wie in Xela. Der Mond bedeckt von einer Wolke, mit lichten Wölkchen die darum herum tanzen. Magisch. Ein Raumschiff, ein schwarzes Loch? Wunschkonzert.
Don Mac Lean: Vincent - "Starry, starry night"
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Noldi, 1. Juli 2020
Guter Text, der mich grad anregt Dir etwas zu meiner Aueinandersetzung mit dem Gebet zu schreiben. Passendes feines Lied und Bild!
Hiltrud, 2. Juli 2020
Dankeschön. Ja. "warum können wir das Corona Virus nicht einfach teilen, so wie die armen Leute ja auch ihr Essen teilen." Ja, warum eigentlich?
Warum machen wir es nicht so wie immer schon? Einfach die Viren teilen. Das Beste für unsere Immunsysteme ist Beschäftigung. Bei Langeweile kommen die nur auf dumme Gedanken ... entwickeln vielleicht Autoimmunerkrankungen?? Oder werden zu schwach sich zu wehren, weil sie außer Übung sind?
Nochmals lieben Dank.